Radfahren in Kreisverkehren zwischen Schnelligkeit, Sicherheit und Angst

Angesichts der Fülle wissenschaftlicher Untersuchungen, von denen allerdings insbesondere die älteren manchmal eine sehr schmale Datenbasis haben, ist diese Seite ein erst provisorischer knapper Einstieg in das Thema Fahrrad und Kreisverkehr.

Grundsätzlich verursachen Kreisverkehrsplätze dem Radverehr weniger Wartezeiten als Kreuzungen, insbsondere Kreuzungen mit autogerecht geschalteten Ampeln und indirektem Linksabbiegen. In kleinen und mittelgroßen Kreisverkehren liegen die Fahrgeschwindigkeiten der Autos im selben Bereich wie die der Radler. Dadurch begünstigen Kreisverkehre bei entsprechender Gestaltung die Gleichberechtigung der Radler. Wegen des Geschwindigkeitsbreichs sind Unfälle zumeist weniger schwer als an Kreuzungen. Allerdings ist der von den meisten Untersuchern konstatierte Sicherheitsvorteil für Radler geringer als für Autoinsassen. (u. a. Underlien Jensen, s.u.)
Schon diie Untersuchung von Brilon et al., Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Kreisverkehrsplätzen (Ruhr-Universität Bochum, 1993) stellte an 28 Kreisverkehren von maximal 45 m Durchmesser fest, dass Mischverkehr die sicherste Radverkehrsführung war, (fahrbahnbündige) Radfahrstreifen die risikoreichste bildeten.
Daraus abgeleitet sahen W. Brilon, L. Bondzio und B. Stuwe in Kleine Kreisverkehre – Empfehlungen zum Einsatz und zur Gestaltung. Bausteine aus der Planungspraxis in Nordrhein-Westfalen, Nr. 16 Mischverkehr und umlaufende Radwege als gleichwertig an.
Die ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) von 1995 lehnten Radfahrstreifen und Suggestionsstreifen in Kreisverkehren ganz und gar ab (Radfahrstreifen gab es offizielll noch nicht, Schutzstreifen waren noch nicht erfunden und Suggestionstreifen ein niederländisches Vorbild). Auch Radwege von Kreisverkehren ließ das damalige Regelwerk nur in Ausnahmefällen zu, dort wo ein Zweirichtungsradweg durch den Verkehrsknotenzu führen war.
Nach der Untersuchung von W. Haller, J. Lange, D. Alrutz et el. über Fußgänger- und Radverkehrsführung an Kreisverkehrsplätzen, publiziert 2000 in Heft 793 der Schriftenreihe Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, erschienen Radwege als Teil von Kreisverkehren wiederum vertretbart. So wurden sie in die ERA 2010 als weitere Regellösung neben dem Mischverkehr aufgenommen.
Für diejenigen Radler, die sich mit Mischverkehr schwertun, ist der an sich sichere Mischverkehr im Kreisverkehr erst recht beängstigend.

Warum wurden und werden Radfahrstreifen weiterhin von den ERA ausgeschlossen?: Wo Auto und Fahrrad auf gekrümmten Linien direkt nebeneinander herfahren, sieht der Autofahrer im Schulterblick und rechten Außenspiegel gleichermaßen wenig vom Radfahrer. Eigentlich geht es also um die Geometrie der Verkehrsführungen und nicht darum, ob sich zwischen Autos und Radlern hier und da ein Bordstein befindet.
Daher bringt der Mischverkehr nur dann eine hohe Sicherheit, wenn die Kreisfahrbahn insgesamt einstreifig ist und alle Fahrzeuge, also Autos und Fahrräder hintereinander her fahren.
Wenn sie nebeneinander fahren, kommt es zu kritischen Situationen, siehe u.a. Sakshaug et al. Cyclists in roundabouts – different design solutions.
Das gefährliche Nebeneinanderfahren kann seitens der Radler zwei gegensätzliche Gründe haben, Angst vor schnellen Autos (s. u.) und Ungeduld hinter langsamen. Seitens der Autofahrer ist die eingewurzelte Einstellung zu überwinden, die Straße sei in erster Linie für sie da und sie stünden über den Radfahrern.
Vom Verständnis her ergibt sich der Vorteil des Mischverkehrs in Kreisverkehren vor allem daraus, dass bei jeder Form der Separation jedes Auto den Fahrradring zweimal kreuzt, während im Mischverkehr jedes Fahrzeug nur einmal auf die Fahrlinien der übrigen trifft.

Hinsichtlich der Verkehrsregelungen mit Radwegen stellen die Ergebnisse mehrerer Untersuchungen lapidar fest, bevorrechtigte seien risikoträchtiger als wartepflichtige, u.a. Søren Underlien Jensen, Safe roundabouts for cyclists (2015).

Kreisverkehr mit Radfahrstreifen
in Nakskov, Lolland, Dänemark
1998 wie heute (siehe Google maps)
Von der Autobelastung und von der örtlichen Radfahrtradition hängt es ab, wie viele Radler gut inr einem Kreisverkehr mit Mischverkehr zurecht kommen und wie viele Angst haben.
Aufklärung wie in der Schweizer Verkehrserziehung muss das nötige Selbstbewusstsein und die sichere Fahrweise vermitteln, d. h. auf der Ringfahrbahn mittig und nicht am Rand zu fahren.
Gestaltung mit Fahrradpiktogrammen im Sinne einer Shared Lane (Anteilig genutzer Fahrstreifen) könnte das Miteinander unterstützen, ist aber bisher in kaum enem Kreisverkehr zu finden.
Nach einhelliger Ansicht der Experten soll der Mischverkehr auch bei zufühenden Straßen mit Radwegen schon einige Meter vor der Einmündung in den Kreis beginnen, und schon hier sollen alle Fahrzeuge einzeln hintereinander fahren.

In den Niederlanden, in denen Mischverkehr fast nur in Wohnstraßen zu finden und in Kreisverkehren besonders selten ist, hat das Forschungsinstitut CROW die Leitlinie herausgegeben, Radwege an Kreisverkehren außerorts wartepflichtig zu machen, innerorts zur politischen Förderung der Fahrradverkehrs bevorrechtigt.
Dort wurde der erste Kreisverkehr mit bevorrechtigten Radwegen 1992 in Enschede eingerichtet. Dessen Fahrradring liegt auf Fahrbahnniveau. Die sehr breiten Inseln zwischen Autoring und Fahrradring sind gepflastert, um die Zugehörigkeit des Fahrradrings zum Kreisverkehr zu betonen.

Die wegen der Konkurrenzsituation zwischen Auto und Fahrrad verkehrspolitisch gebotene Aufgabe, vorfahrtberechtigte Radwege an Kreisverkehren nicht zuletzt durch die Gestaltung der zuführenden Straßen und der Ausbiegerkurven so sicher zu bekommen wie wartepflichtige und fast so sicher wie den Mischverkehr, wurde noch nicht ausreichend in Angriff genommen.

Sofern nicht – besomders riskant – ein Beidrichtungsradweg die Kreisfahrbahn begleitet, werden Autofahrer aus den zuführenden Straßen durch Schilder bisher gar nicht und durch Bodenmarkierungen oft nur unzureichend auf einen umlaufenden Radweg hingewiesen.
Dabei sollte die Gestaltung jedem Autofahrer unübersehbar und unmissverständlich klar machen, dass er beim Einfahren schon am Radweg an den Kreisverkehr kommt und beim Ausfahren den Kreisverkehr erst verlassen hat, wenn er den Radweg überquert hat.
_________________________________________________________________________________
 radweit-Startseite
 Ausgrenzung oder Aufwertung des Radverkehrs
 Radwegverschwenkungen – gebaute Benachteiligung des Radverkehrs
 Datenbasis und Tendenz des UdV-Fb 46 zu bevorrechtigten Radwegen an Kreisverkehren
 De-Facto-Kreisverkehr „Am Stern“ in Bremen nach dem Umbau von Juni/Juli 2017
 Kritische Analyse des UdV-Fb 21 zu Abbiegeunfällen
 Risikovergleich Deutschland –Niederlande–Schweiz–Vereinigtes Königreich
 Längenvergleich straßenbegleitender Radverkehrsanlagen in Großstädten