Datenbasis und Tendenz der UdV-Forschungsberichts Nr. 46 –
Sicherung bevorrechtigter umlaufender Radwege an innerörtlichen Kreisverkehren


Der Forschungsbericht Nr. 46 zur Sicherheit bevorrechtigter Radwege an innerörtlichen Kreisverkehren (kostenloser Download)
der Unfallforschung der Versicherer über die Gestaltung von Radwegen an innerörtlichen Kreisverkehren
wurde im April 2017 veröffentlicht, in einer bis über das Jahresende hinausgehenden Zeitphase,
in der die Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehr (FGSV) wieder über eine Überarbeitung der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) diskutiert.


INHALT:
Auswahl der kreisverkehrsarme
Unfallstatistik
   Maße oder aber Konzepte
   Spezialfall Verzweigungspunkt
   Furteinfärbung
Vorher-Nachher-Vergleiche
Verhaltensbeobachtungen
Zusammenfassung und planerische Empfehlungen
Versäumnisse
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AUSWAHL DER KREISVERKEHRSARME (Abschnitt 4)

Das umfangreiche Grundkollektiv von 294 Kreisverkehrsarmen (siehe Seite 19) ist durch die sortierende Hand des Untersuchers geprägt:
• Von 220 Kreisverkehren aus einer Rundfrage an Straßenbaulastträger wurden nur 32 als geeignet bewertet.
Als Kriterium wird pauschal die Geometrie genannt, also wurden wohl auch Kreisverkehre mit vorrangberechtigten Radwegen ausgeschieden.
• Aus dem umfangreichen Datenbestand des Untersuchers wurden 71 Kreisverkehre ausgewählt.
Neben dem Vorhandensein bevorrechtigter Radwege war weitestgehend regelkonforme Gestaltung
nach dem FGSV-Merkblatt für die Anlage von Kreisverkehren Einschlussvoraussetzung.
Damit wurde eine Möglichkeit vergeben, die Regeln von 2006 auf ihren Sicherheitsnutzen zu überprüfen.

Bei beiden Auswahlverfahren lässt sich nicht ausschließen,
dass schon im Vorhinein Unfallraten (Unfallzahl pro Wurzel aus dem Produkt aus KFZ-Aufkommen und Fahrradaufkommen) und Unfallkostenraten berechnet worden waren
und zum Einschluss oder Ausschluss von Kreisverkehren führten.

Wie zahlreich in den möglichen und den daraus ausgewählten Kollektiven einerseits eckige und andererseits runde Radverkehrsführungen waren, ist im Fb 46 nicht angegeben.

Alle Ergbenisse sind daher unter dem Vorbehalt zu betrachten, dass sie durch entsprechende Zusammenstelung des Untersuchungskollektivs gezielt herbeigeführt sein können.


UNFALLSTATISTIK (Abschnitt 9.2 – Korrelationen)

Maße oder aber Konzepte:
Der Autor begeht den Fehler, Auswirkungen einzelner Maße zu berechnen
(Abstände der Furten vom KFZ-Ring, Abstände der Radwege zwischen den Furten vom KFZ-Ring,
Abstände der Radwegverzweigungen [Furt-Zufahrt/abgehende Straße] vom Furtbeginn),
die sich aber in unterschiedlichen Gesamtkonzepten unterschiedlich auswirken können,
um aus diesen losgelösten Einzelaspekten eine Bewertung von Gesamtkonzepten abzuleiten.
Hier ist es seine Bevorzugung einer winkligen Radwegführung.

Die statistische Gegenüberstellung von Gesamtkonzepten kann allerdings erfordern,
ein Gesamtkonzept in Varianten aufzugliedern.
Hier ist es die kreisbetonte Radwegführung, die je nach Abstand zwischen KFZ-Ring und Fahrradring sehr unterschiedliche Sichtverhältnisse schafft,
was sehr unterschiedliche Unfallrisiken erwarten lässt.
Bei naher paralleler Führung gekrümmter Fahrlinien ergeben sich genau die Probleme,
die zum Verbot von Radfahrstreifen in den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen („der“ ERA) geführt habenB
bei großem Abstand und gut gestalteten Auto-Ausbiegekurven gibt es auf den letzten fünf bs zehn Metern vorm Schnittpunkt der Fahrlinien keine „toten Winkel“.

Spezialfall Verzweigungspunkt:
Bei der Untersuchung zum Einfluss der Lage des Verzweigungspunktes auf Unfalltyp 243 findet L. Bondzio einen Nachteil für die Gestaltung mit den besseren Sichtverhältnissen.
Vorgezogene Verzweigungspunkte ermöglichen den Autofahrern, die Fahrtrichtung der Radfahrer besser zu erkennen, als Verzweigungspunkte direkt an der Furt.
Denkbare Ursachen dieses Ergebnisses:
Ausschlaggebend war die Verteilung anderer Eigenschaften auf die nach dem Verzweigungspunkt definierten Teilkollektive. (Damit verbunden:) Das gesamtkollektiv wurde ergebnisoroentiert zusammengestellt. Das Ergebnis entspricht dem von mehreren Autorne gefundenen geringeren Risiko wartepflichtiger Kreisverkehrsradwege im Vergleich zu bevorrechtigten,
weil diese Geometrie den Radfahrern die Vorfahrt nimmt und den Vorrrang auf das Recht reduziert, auf Bitte vorgelassen zu werden.
Damit ist sie eine Gestaltung, die den Autofahrern Rowdytum verzeiht, anstatt sie zu disziplinieren.

Furteinfärbung:
Die Untersuchung zur Furteinfärbung unterscheidet nicht zwischen Ausbiegerunfällen (Typen 243 und 244) und Einbiegerunfällen (341 und 342).
Damit fehlt ein Angriffspunkt für gezielte Nachbesserungen gegen Ausbiegerunfälle und Einbiegerunfälle mit im Kreisverkehrssinn fahrenden Radlern (Typen 243 und 341)
Der von L. Bondzio gefundene Vorteil für unscheinbare Furten kann wie bei den Verwzeigungspunkten dem Prinzip entsprechen, Radfahrer einzuschüchtern, um Autofahrer zu begünstigen.
Er kann aber auch Folge einer Behördenpraxis sein, nur Furten einzufärben, an denen sich schon mehrere Unfälle ereignet haben.
Immerhin lässt der Vorher-Nachher-Vergleich in Ahaus (s. u.) einen Sicherheitsvorteil unübersehbarer Furten erhoffen.


VORHER-NACHHER-VERGLEICHE (Abschnitt 10)

Von den Unfallzahlen her sind die Vorher-Nachher-Vergleiche Fallbeispiele.
Unfallzahlen, Summen aus jeweils 3 Jahren:
Ahaus 15 = 6 + 4 + 5 ohne Hochpflasterung und 9 = 2 + 5 + 2 nach Hochpflasterung der Furten
Coesfeld 2 = 1 + 0 + 1 ohne Einfärbung und ebenfalls 2 = 2 + 0 + 0 nach Einfärbung
Je geringer in Zeitreihen die Absolutwerte sind, desto größer ist die relative Streuung im Vergleich zu irgendeinem Trend.
Absolut zufällig ist dann auch, wann unter den Unfällen einer besonders schwer war und die Unfallkostenrate hochgetrieben hat.
Bei dem Beispiel aus Ahaus könnten Beschreibungen der einzelnen Unfälle mehr Erkenntnis bringen, als eine statistische Aufarbeitung.
Die Zahlen aus Coesfeld sind für jede Aussage zu gering.


VERHALTENSBEOBACHTUNGEN (Abschnitt 11)

Verhaltenbobachtungen sind zeit- und kostenaufwändig.
Aber eine Auswahl von jeweils 8 aus 294 Knotenarmen ermöglicht dem Untersucher,
wesentlich mehr Knotenarme zu untersuchen und dann nur die genehmen in die Untersuchung einzubeziehen.


ZUSAMMENFASSUNG UND PLANERISCHE EMPFEHLUNGEN (Abschnitt 12)

„Die Führung des Radwegs um den Kreisverkehr sollte ebenfalls möglichst fahrbahnnah erfolgen.“
Diese Empfehlung steht in absolutem Gegensatz zum Verbot der ERA, in Kreisverkehren Radfahrstreifen anzulegen, ERA 2010, Seite 54: 4.5 Kreisverkehre – 4.5.1 Überblick: „Radfahrstreifen und Schutzstreifen dürfen aus Sicherheitsgründen auf der Kreisfahrbahn nicht angelegt werden.“
Da die ERA 2010 die Führung des Radverkehrs im Mischverkehr auf der Ringfahrbahn ausdrücklich befürworten,
bestehen die Sicherheitsgründe nicht im Fehlen eines Bordsteins, sondern in den unzureichenden Sichtverhältnissen,
auf gekrümmten parallelen Fahrlinien versagt der rechte Außenspiegel.
Auch den Verzweigungspunkt zwischen ausbiegenden und im Kreisverkehr bleibenden Radlern möglichst nahe an die Fahrradfurten zu legen, verschlechtert die Erkennbarkeit des Radverkehrs für die Autofahrer.
Mit seinen verwinkelten Radwegverlauf und unscheinbare Fahrradfurten empfiehlt Herr Bondzio, den Radfahrern faktisch die Vorfahrt zu nehmen.
Sie sollen am Beginn jeder Furt nahezu auf Schrittgeschwindigkeit abbremsen und nur weiterfahren, wenn gerade kein Auto kommt oder ein Auto angehalten hat.
Der Radfahrer soll den Autofahrer also darum bitten, ihn die Fahrbahn überqueren zu lassen,
Statt dem Radfahrer zu ermöglichen, bestimmt aber bremsbereit auf den Schnittpunkt der Fahrlinien zu zu fahren
– „Wenn du, Autofahrer, nicht bremst, machst du dich strafbar.“ – ,
wird dem Autofahrer klargemacht, dass er keinen Schaden hat, wenn er nicht bremst.
Eine solche Gestaltung ermutigt Autofahrer zu rücksichtsloser Fahrweise.
Die von L. Bondzio empfohlene Benachteiligung der Gefährdeten ist gleichzeitig eine Benachteiiligung und damit Bestrafung derer,
die durch verantwortungsvolle Verkehrsmittelwahl Anwohnern und Umwelt, also der Allgemeinheit, einen Dienst erweisen.

Normalerweise und vor allem im Mischverkehr liegt ein Vorteil von Kreisverkehren darin, dass Autos und Fahrräder hier sehr ähnliche Geschwindigkeiten haben.
Auch in Kreisverkehren mit Separation lassen sich in den meisten kritischen Situationen Autofahrer durch lauten Zuruf dazu veranlassen,
Radfahrer wahr zu nehmen und ihre Rechte zu respektieren.
Eine gute Gestaltung der zuführenden Straßen und der Ausbiegekurven sollte diese Zurufe („Hey“-Schreie) weitgehend überflüssig machen.
Die Notwendigkeit, als Radfahrer die Autofahrer auch zu beobachten, wenn man Vorfahrt hat, bleibt.
Es muss also die Aufmerksamkeit beider Konfliktpartner unterstützt werden.
Die Einführung oder Bevorzugung einer Wartepflicht von Radwegen an Kreisverkehren und Vorfahrtsstraßen
bezeugt hingegen ein seltsames Rechtsbewusstsein von Planern und Behörden:
„Liebe Autofahrer, wenn ihr die Vorfahrt oft genug missachtet, wird sie euch gegeben.“


Logisch ist die von Lothar Bondzio bevorzugte Gestaltung nur für wartepflichtige Radwege.
Foto: Wartepflicht trotz CROW-Empfehlungen innerorts in Winschoten, Provinz Groningen, NL
 


VERSÄUMNISSE

Die in der Untersuchung genannten Empfehlungen zur Gestaltung von Mittelinsel und Fahrbahnen
sind solche, die auch für einen Kreisverkehr ohne jeden Radverkehr geboten sind.

Veränderungen der Fahrbahngeometrie und der Gestaltung von Zufahrten, Kreisfahrbahn und Ausbiegekurven,
sowie der Inselflächen zwischen Fahrbahn(en) und Radweg
zur Verbesserung von Aufmerksamkeit und Regeltreue der KFZ-Lenker gegenüber Radfahrern
wurden anscheinend (außer im Fallbeispiel in Ahaus, S. 72 ff. mit Abb. 67) nicht erwogen.
Sie hätten wesentlich detailliertere Untersuchungen der Verkehrsabläufe erfordert:
In Unfallstatistik und Verkehrsbeobachtungen:
   (a) Unterscheidung nach KFZ-Arten (PKW, LKW, Motorrad).
   (b) Unterscheidung nach Wegen durch den Knoten (Ausfahrt durch den nächsten Arm, den übernächsten oder den dritten (oder weiteren).
In den Verkehrsbeobachtungen Messung der Geschwindigkeiten und Dokumentation der Geschwindigkeitsverteilungen:
    der KFZ, möglichst unterschieden nach:
       Fahrzeugklassen, vgl. (a)
       Durchfahrtsrouten, vgl. (b)
       Orten im Knoten, also: in den Zufahrten vor den Furten, in den Zufahrten und auf der Furten, in Abschnitten der Kreisfahrbahn und in den Ausbiegerkurven.
    der Fahrräder zwischen den Kreisverkehrsarmen, vor den Furten und auf den Furten.

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