Unfallrisiken im internationalen Vergleich

INHALT:
Fahrradsicherheit
   Einführung
   Tödliche Fahrradunfälle, bezogen auf den Modal Split
        (Deutschland, Niederlande, Schweiz)
   Quellen:
      Einwohnerzahlen
      Verkehrsleistungen und Verkehrsanteile
      Unfallzahlen
   Tödliche Fahrradunfälle, bezogen auf die Kilometerleistung
        (Deutschland, Niederlande, Schweiz, Großbritannien)
Verkehrssicherheit insgesamt und für Motorfahrzeuge
   Unfalltote insgesamt und nach Verkehrsmitteln aufgegliedert
     (Unfalltote aller EU-Länder und der Europäischen Union insgesamt)
Fazit

EINFÜHRUNG
Angesichts mancher blühenden Vorurteile
ist ein objektiver Vergleich der Verkehrssicherheit bzw. des Unfallrisikos verschiedener Länder angebracht,
eigentlich auch verschiedener Städte.

Gerade beim Fahrradverkehr ist es jedoch nicht einfach, geeignete Bezugsgrößen zu bekommen.

Grundsätzlich bieten sich zwei Bezugsgrößen an:
• die Kilometerleistungen (in der Verkehrsart) der zu vergleichenden Länder (1 Unfall bzw. 1 Unfalltoter pro … km)
• die Produkte aus Einwohnerzahlen und Modal Splits (Unfälle bzw. Unfalltote pro Million rechnerische Nutzer).
Eine grundsätzliche Vagheit entsteht dadurch, dass Kilometerleistungen und Nutzungshäufigkeiten samt den daraus errechneten Modal Splits größtenteils aus Befragungen bei Mikrozensus' gewonnen werden. Die Daten sind also von der Ehrlchkeit der Befragten und von der Repräsantativität der Stichproben abhängig.

Manche dieser Zahlen sind gar nicht verwertbar, weil manchmal nur bestimmte Arten von Wegen erfragt werden (Wege an Werlktagen, Wege zur Arbeit, Wege zu innerörtlichen Zielen, Wege von Bewohnern der Stadt), während die Unfall- und Opferzahlen jeweils alle (polizeilich erfassten) Unfälle im untersuchten Gebiet erfassen.

Wie im Folgenden am Beispiel der Schweiz zu erkennen, kann die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Ländern mittels Modal Split beinträchtigt sein durch Unterschiede der Kilometerleistung und Wegezalhl alller Verkehrsarten zusammen pro Kopf.


TÖDLICHE FAHRRADUNFÄLLE, BEZOGEN AUF DEN MODAL SPLIT

 DNLCH
Einwohner82.175.68416.979.1208.417.700
2014Fahrradanteil13,2 %26 %
rechn. Radler10.847.1904.414.571
getötete Radler396185
Tote/Mio. Radler36,541,9
2015Fahrradanteil11,8 %27 %
rechn. Radler9.696.7314.584.362
getötete Radler383185
Tote/Mio. Radler39,540,35
2016Fahrradanteil5,3
rechn. Radler446.138
getötete Radler39318936
Tote/Mio. Radler80,6

Dass die Schweiz unter dem Modal Split als Bezugsgröße deutlich schlechter aussieht, liegt daran,
dass die Schweizer mit allen Verkehrsmitteln zusammen pro Tag durchschnittlich etwa 5 Wege am Tag machen,
gegenüber dem internationalen Durchschnitt von3 Wegen pro Tag.
Die tägliche Kilometerleistung aller Verkehrsarten pro Kopf ist in der Schweiz etwa doppelt so hoch wie in anderen Ländern.
Daher ist der Modal Split (Verkehrsanteil) des Fahrrades in der Schweiz viel niediger als in Deutschland,
trotz fast genauso vielen Fahrradkilmetern pro Kopf.


QUELLEN

EINWOHNERZAHLEN: Angesichts der geringen Schwankungen wurden die aktuellen Werte aus der Wikipedia genommen.


VERKEHRSLEISTUNGEN UND -ANTEILE:
Deutschland:
DESTATIS – Transport und Vekehr
Pressedienst Fahrrad – Themenblatt: Die Fahrradwelt in Zahlen
Mobilitätspanels des Karlsruher Instituts für Technologie
•• Bericht 2014/2015: Alltagsmobilität und Fahrleistung(PDF)
•• Bericht 2015/2016: Alltagsmobilität und Fahrleistung(PDF)
•• Auskunft
Von: "Eisenmann, Christine (IFV)"
Datum: 24. Oktober 2017 11:50:13 MESZ
An: "ulamm.brem@t-online.de"
Kopie: "Vortisch, Peter (IFV)"
Betreff: AW: AW: Gesamt-Kilometerleistungen des Radverkehrs in Deutschland

Sehr geehrter Herr Lamm,

Ihre Anfrage wurde von Herrn Vortisch an mich weitergeleitet.

Die Verkehrsleistung mit dem Fahrrad (Kilometer je Person und Tag) ist in den Jahren 2014 und 2015 wie folgt:
2014: 1,56 km je Person und Tag
2015: 1,38 km je Person und Tag

Die Ergebnisse der Erhebung 2016 wurden noch nicht veröffentlicht.

In unseren Jahresberichten finden Sie jeweils in Kapitel 4.2.3 eine Auswertung zum Modal Split der Verkehrsleistung.
Außerdem finden Sie im Bericht 2014/2015 ein Kapitel zu „Entwicklung von Verkehrsleistung und Mobilitätszeit von 1994 bis 2014“ (Kapitel 7.3), in welchem Auswertungen zur Verkehrsleistung mit dem Fahrrad enthalten sind.

Niederlande:
Mobilitätsbeeld 2014
Mobilitätsbeeld 2014
jeweils: → Inhoudsopgave → Personenvervoer
Transport en mobiliteit 2016 - CBS, Seite 38

Schweiz:
Bundesamt für Statistik: Mobilität und Verkehr,
dort Pfade:
a)
11 - Mobilität und Verkehr
scrollen: -> In diesem Thema
→ Personenverkehr
(Kennzahlen zu den Verkehrsleistungen im Personenverkehr, zum Verkehrsverhalten der Bevölkerung und zur Mobilität)
→ Seite 24, Tabelle 3.3.1.1

b)
Kataloge und Datenbanken
→Tabellen

Suchmaske:
Thema: Verkehrsverhalten -> Verkehrsverhalten 11.04.03
Suche in Titelei: 3.3.1.1

Kilometerleistung UK
siehe Artikel in NL Times

Die ECF-Angabe zu den Radverkehrsanteilen wurde hier NICHT verwendet.
Sie beruht auf einer Befragung in mehreren EU-Ländern,
ergibt aber für die Niederlande Zahlen, die lamtlicher niederländischer Statistik zufolge
für kürzere Strecken innerorts erhoben wurden und nicht für den landesweiten Modal Split:
 DNL
12 %36 %
rechnerische Radler9.861.0826.112.483


UNFALLZAHLEN:
Deutschland:
DESTATIS:
Kraftrad-­ und Fahrradunfälle im Straßenverkehr 2015 (PDF), S. 10 – Jahrestabellen

Niederlande:
Antwort der SWOV (Stichting voor Wetenschaplijk Onderzoek van Verkeersveiligheit/Stiftung für die Wissenschaftliche Untersuchung der Verkehrssicherheit):
auf eine detaillierte Anfrage nach der Häufigkeit diverser Typen von Fahrradunfällen:

Auskunft
Von: Saskia de Craen <saskia.de.craen@swov.nl>
Datum: 29. Juni 2017 12:02:28 MESZ
An: <ulamm.brem@t-online.de>
Kopie: <persvoorlichting@swov.nl>, <info@swov.nl>
Betreff: RE: Cycling accidents

Dear Ulrich Lamm,

I’m afraid we don’t have information on cycling crashes with the level of detail you are looking for.
In general you can search for your answers in two tables:
Real number of traffic fatalities and seriously injured per mode of transport
This table includes the actual number of fatalities and seriously injured bicylists in the Netherlands.
This a very reliable table, however, as you can see the table does not have much detail.
In fact, after 2009 we don’t haven information on the actual number of seriously injured bicyclists because police registration deteriorated after that point.
Police registered crashes
This table shows the number of crashes that were registered by the police.
This table includes more detail but is very inreliable because the police doesn’t register every crash in the Netherlands.
In fact, almost none of the bicycle crashes without a conflict with a motorized vehicle (resulting in at least half of the seriously injured) is registered.
You should be very careful with conclusions drawn from this data
(e.g. most of the decline in number of crashes can attributed to the deteriorating registration; and not improvement of road safety).

Very recently we published a factsheet on road safety of bicyclists.
We hope to publish the English translation soon, but for now (and as an indication of which information is available)
you can find the Dutch version here.

Kind regards,
Saskia de Craen.

-
dr. Saskia de Craen
Researcher (PhD) / Absent on Wednesdays

SWOV Institute for Road Safety Research
Bezuidenhoutseweg 62, Den Haag
Mailing adress: PO Box 93113
NL 2509 AC Den Haag

Schweiz:
Medienmitteilung „Strassenverkehr fordert 2016 weniger Todesopfer und Schwerverletzte“ des Schweizer Bundesamtes für Strassen (ASTRA)

Großbritannien:
Beyond the Kerb – Casebook 2016 abzüglich 16 Todesfällen von Radlern durch medizinische Ereignisse.
Die Liste wirkt insgesamt engagiert recherchiert und ist gut durch Google Maps und Zeitungsberichte ergänzt,
verrät aber trotzdem bei sehr vielen Unfällen nichts über den Unfallhergang.


TÖDLICHE FAHRRADUNFÄLLE, BEZOGEN AUF DIE KILOMETERLEISTUNG

NL:
14.500.000.000 km ÷ 189 Tote = 15.281.208.000 ÷ 189 = 76.700.000,
also 1 Unfalltoter auf 76.700.000 Fahrrad-km
DE (zwei verschiedene Berechnungen):
nach DESTATIS → Pressedienst-Fahrrad 2017 für 2015:
2015: 24.800.000.000 km ÷ 383 Tote = 64.752.000 km pro Unfalltoten,
nach KIT-IfV siehe Mail:
2014: 82 Mio. EW x 365 Tage x 1,56 (km/EW)/Tag ÷ 396 Tote = 43.690.800.000 km ÷ 396 Tote = 110.300.000 km pro Unfalltoten,
2015: 82 Mio. EW x 365 Tage x 1,38 (km/EW)/Tag ÷ 383 Tote = 41.303.400.000 km ÷ 383 Tote = 107.800.000 km pro Unfalltoten,
also 1 Unfalltoter auf 64.752.000 oder 107.800.000 bis 110.300.000 Fahrrad-km (*)
CH:
28 tote Radler, 8 tote E-Biker
→ (8.417.700 EW x 321km) ÷ (28+8) Tote = 2.702.081.700 km ÷ 36 Tote = 75.057.825 km pro Unfalltoten,
also 1 Unfalltoter auf 75.057.825 Fahrrad-oder-E-Bike-km
UK:
(65.110.000 EW x 75 km/EW) ÷ (125 – 16) Tote = 4883250000 km ÷ 109 Tote = 44.800.459 km pro Unfalltoten,
also 1 Unfalltoter auf 44.800.459 Fahrrad-km

(*) DESTATIS verweist auf Ungenauigkeit in der amtlichen Erfassung der individuellen Mobilität.
Die Mobilitätspanels des IfV des KIT seien aussagekräftiger. Dort sind nicht für 2015 Fahrradkilometer eingetragen.
Das Institut für Verkehrswesen berechnet strenggenommen Alltagsmobilität.
Es gibt aber keinen Anhalt, ob an freien Tagen und in den Ferien mehr oder weniger geradelt wird als im Alltagsverkehr.


UNFALLTOTE IN ALLEN VERKEHRSARTEN, EU-WEIT

Unfalltote
pro Mio Einw.
% Fuß% Fahr-
rad
% Motor-
rad
% Fuß
+ R + M
% Auto +
Bus + LKW
Auto+Bus+LKW
pro Mio. EW
Staat
AT51151013386231,6Österreich
BG902355336760,3Bulgarien
BE64141014386239,7Belgien
CY 52Cypern
CZ61251110465432,9Tschechien
DK3317178425820,9Dänemark
DE42171117455523,1Deutschland
ES3622418445620,2España
EE5925122396136,0Estland
FI 411389307028,7Finnland
FR5314420386232,9Frankreich
EL7217229485237,4Griechenland
UK2823619485214,6Großbritannien
IE 4318512356528Irland
IT 5216721445629,1Italien
HR 7319613386245,3Kroatien
LV 1053976524850,4Lettland
NL2811246415916,5Niederlande
PL 843498514941,2Polen
PT 5923512406035,4Portugal
RO 913993514944,6Rumänien
SE2916515366418,6Schweden
SK 5418107356535,1Slowakei
SI 5215914386232,2Slowenien
HU63251210475333,4Ungarn
LT903411Litauen
LU 65Luxemburg
MT26Malta
EU5122815455528Europ. Union


FAZIT

Nimmt man die tödlichen Unfälle als Maß von Sicherheit oder Unfallrisiko für Radler/innen,
so gibt es zwischen Deutschland und den Niederlanden weder mit Bezug auf den Modal Split noch auf die Kilometerleistung einen signifikanten Unterschied.
Die Schweiz wirkt mit dem Modal Split als Bezug deutlich schlechter, wegen ihrer wesentlich höheren Pro-Kopf-Leistung in den motorisierten Verkehrsarten.
Für Benutzer zweispuriger KFZ sind die Niederlande deutlich sicherer als Deutschland.


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